Kontrollverlust

Das eigene Leben scheint aus den Fugen zu geraten, wenn sehr einschneidende Ereignisse passieren. Wenn zum Beispiel ein nahe stehender Mensch stirbt. Oder ein Arbeitsplatzverlust droht. Wenn es zu einer plötzlichen, unerwarteten Trennung kommt. Oder eine schwere Erkrankung diagnostiziert wird. Alle diese Geschehnisse können Gefühle des Ausgeliefert-Seins, der Handlungsunfähigkeit oder des Kontrollverlustes auslösen. Das eigene Leben scheint nicht mehr in der eigenen Hand zu liegen. Die Selbstbestimmung und Autonomie scheint verloren. Auch die Selbstachtung und das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten und Qualitäten scheint zu schwinden. Ängste können sich breit machen, auch Passivität, Depressionen, Manie, Süchte, körperlichen Symptome.

Kontrolle über das eigene Leben zu haben, ist ein existenzielles Bedürfnis jedes Menschen. Wir wollen nach unseren eigenen Wünschen und Vorstellungen leben. Wir wollen handelnde, entscheidende Wesen sein und bleiben. Wir wollen “der eigene Chef” in unserem Leben bleiben. Auch durch Studien ist dies mittlerweile belegt.

Was können wir aber tun, wenn bestimmte unabwendbare Ereignisse einschneidend wirken? Was können wir machen, um die Kontrolle zurückzugewinnen?

Nach einer Zeit der Ohnmacht und des Schocks, vielleicht auch der Wut und Verzweiflung ist es hilfreich, den Kontrollverlust anzunehmen. Denn im Grunde wissen wir alle, dass das Leben nicht komplett zu kontrollieren und zu planen ist. Annehmen des Unabänderlichen ist der erste Schritt wieder zu einer handelnden Person zu werden. Loslassen der vergangenen Ereignisse, die nicht mehr zu ändern sind.

“Wie soll es jetzt weitergehen?” – das ist die nächste wichtige Frage. Manchmal ist es schwierig, darauf Antworten zu finden. Manchmal ist Hilfe und Unterstützung bei der Suche nach Antworten notwendig. Die Zuversicht in die eigenen Einflussmöglichkeiten wächst durch die Antworten wieder. Das Neue kann angefangen, umgesetzt und verwirklicht werden.


Von Ulrike Elbers, Familientherapeutin/Supervisorin – Wuppertal
Veröffentlicht am Montag 9. Mai 2016