Langeweile
„Mir ist so langweilig“ – diesen Satz habe sicherlich viele Eltern besonders in den letzten Wochen, innerhalb der Corona-Krise oft gehört. Die Zeit war geprägt durch geschlossene Kitas und Schulen, geschlossene Spielplätze und Sportvereine. Oma und Opa durften nicht besucht werden oder durften nicht zu den Enkeln kommen. Die Freunde waren ebenfalls alle zu Hause und duften nicht zum Spielen getroffen werden. Urlaubsfahrten oder Ausflüge durften nicht stattfinden. Welch langweilige, eintönige Zeit!
Plötzlich und ohne Vorbereitung gab es den gewohnten Tagesablauf nicht mehr. Eltern mussten mit ihren Kindern einen neuen Rhythmus, neue Regelmäßigkeiten schaffen. Von allen Familienmitgliedern waren Kreativität und Antrieb für eine selbst gestaltete Zeit gefragt. So gab es eben auch viele Stunden, in denen nichts passierte, die nicht durch die gewohnten Aktivitäten gefüllt waren. Mußestunden wurden plötzlich zur großen Herausforderung. Und diese langweiligen Zeiten sollten auch von den Eltern vertrieben werden.
Kinder sollten allerdings grundsätzlich dazu ermutigt werden, dass sie sich selbst ihre Langeweile vertreiben. Sie sollten ausprobieren und feststellen, was genau sie tun wollen, womit sie sich gerade beschäftigen wollen. Denn das Gefühl der Langeweile bedeutet immer, nicht zu wissen, was gerade mit sich angefangen werden soll. Schon Kinder sollten lernen, dass sie mit sich selbst alleine sein können. Dass ihre freie Zeit nicht stets mit Aktivitäten beim Sport oder Gitarrenunterricht, mit Reiten oder Sprachkurs, mit Ballett oder Ausflügen gefüllt werden muss. Dadurch werden sie angeregt, dass sich Kreativität und eigener Antrieb entwickeln können.
Aktivitäten sind gut und wichtig. Es ist aber außerdem auch wichtig, dass Langeweile und Nichtstun stattfinden darf. Gerade im späteren Erwachsenenleben ist Nichtstun nach einem langen, stressigen Arbeitstag eine wichtige kraftbringende Quelle. Statt Freizeitstress kann tatsächlich dann Entspannung entstehen. Und das können Kinder bereits früh lernen, wenn ihnen Langeweile auch gestattet und gelassen wird.
Von Ulrike Elbers, Familientherapeutin/Supervisorin – Wuppertal
Veröffentlicht am Dienstag 16. Juni 2020