Der rosarote Elefant

Leo kann nicht hören – das sagt zumindest seine Mutter sehr oft über ihn. Seine Ohren sind zwar in Ordnung, das hat der Kinderarzt untersucht. Dennoch treibt Leo Julia zur Verzweiflung, wenn er durch den Supermarkt rennt. Obwohl sie gerade noch „renn nicht so `rum“ zu ihm gesagt hat. Oder die Sache mit dem Aufräumen. „Schmeiß Deine Spielsachen nicht so durch Dein Zimmer!“

Leo macht es immer wieder. Julias Beispielliste ist lang, „tob nicht so durch `s Zimmer“, „schrei nicht so laut“. Der Alltag mit Leo besteht aus ständigen Ermahnungen. Dabei möchte Julia viel lieber den Einkauf zügig erledigen, statt im Supermarkt hinter Leo herlaufen zu müssen. Dann könnten Beide später am Tag noch gemeinsam etwas Schönes unternehmen. Doch meistens haben sie nach dem schwierigen Einkaufen dazu gar keine Lust mehr.

Und dann passierte die Sache mit dem „rosaroten Elefanten“.

Julia las in einem Artikel, dass es unmöglich ist, dass sie nicht an ihn denkt. Auch wenn sie dazu aufgefordert wird. In der Vorstellung erscheint immer zuerst der rosarote Elefant. Das Gehirn kann nicht „nicht“ denken. Und sie las weiter, dass auch das Einfordern bei Leo von „Nicht-Rennen“, „Nicht-Toben“ vergeblich ist. „Nicht“ klappt nicht.

Ab sofort sprach Julia klar und eindeutig mit Leo, „geh im Supermarkt neben mir“ oder „räum Deine Spielsachen in die Kiste“. Plötzlich verstand Leo seine Mutter. Er wußte, was sie genau von ihm wollte. Leo bekam Klarheit und weiß jetzt, was von ihm gewünscht und erwartet wird. Er weiß, was er machen soll oder was verboten ist – dem rosaroten Elefanten sei Dank!


Von Ulrike Elbers, Familientherapeutin/Supervisorin – Wuppertal
Veröffentlicht in Westdeutsche Zeitung, WZ, Kolumne: Beziehungen am Samstag 25. Oktober 2008