Erwachsenenprobleme

Bastian macht sich Sorgen um seine Eltern. Tagsüber sind sie sehr ruhig und reden nur das Nötigste miteinander. Spätabends hört er sie streiten und laut schimpfen. Auch seine kleine Schwester wird immer ruhiger. Emma lacht kaum noch und geht still in den Kindergarten. Bastian selbst kennt Probleme mit den Eltern, wenn er wieder einmal eine schlechte Note mit nach Hause gebracht hat. Oder bei den Hausaufgaben manchmal unkonzentriert ist. Jetzt ist aber alles anders. Die Eltern sind sehr mit sich selbst beschäftigt, obwohl sie sich wie immer gut um ihre Kinder kümmern. Bastan überlegt viel, ob er Schuld an der schlechten Stimmung der Eltern ist, ob er sich in der Schule mehr anstrengen muss. Er spürt, dass mit den Eltern etwas los ist und bezieht es auf sich.

So wie Eltern spüren, wenn mit ihren Kindern etwas nicht stimmt, ist es umgekehrt genauso. Kinder haben “feine Antennen”. Auch wenn die Eltern höflich sind, tagsüber nichts sagen und abends streiten, bekommen Kinder genau diese Stimmung der Eltern mit. Sie übernehmen schnell die Schuld und die Verantwortung. Kinder glauben dann, sie selbst hätten etwas falsch gemacht und sie müssten etwas für eine positive Veränderung tun. Für Bastian kam die Erleichterung, als er von den Eltern hörte, dass nicht er oder Emma ihnen Sorgen bereiten, sondern die Eltern hatten es in letzter Zeit miteinander schwer. Die Beiden haben Probleme und wollen diese jetzt lösen. Bastian ist entlastet. Die Erwachsenen machen es unter sich aus, ihn geht es nichts an. Er kann auch nicht helfen. Erwachsenenprobleme gehören eben zu den Erwachsenen.


Von Ulrike Elbers, Familientherapeutin/Supervisorin – Wuppertal
Veröffentlicht in Westdeutsche Zeitung, WZ, Kolumne: Beziehungen am Samstag 19. April 2008