Freundschaften – Wahlverwandtschaften

Claudia und Anne hatten sich vor 25 Jahren beim Sport kennengelernt. Sie waren sich auf Anhieb sympathisch, trafen sich auch zum Kaffeetrinken und Reden. Sie sprachen über ihre Wünsche und Träume, über Freunde, später über ihre Männer und Kinder. Beide wußten mehr voneinander als alle ihre Verwandten und Bekannten. Sie verbrachten mehr Stunden miteinander als je mit ihren Partnern. Freundinnen blieben sie über all die Jahre. Zuerst verabredeten sie sich oft und telefonierten häufig. Dann wurde es seltener, weil Jede so viel um die Ohren hatte. Die Zeit raste davon und vielleicht war auch etwas anderes gerade wichtiger. Manchmal stirbt eine Freundschaft in aller Stille.

Dabei ist der Stellenwert von Freundschaften in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Blutsverwandtschaften lösen sich auf. Wahlverwandtschaften werden zum wichtigen Gegenmodell. Ehen und Beziehungen zerbrechen, so dass Freunde immer wichtiger werden. Umfragen zeigen, dass der Freundeskreis und die Familie gleich hoch bewertet werden. Freundschaft tut gut – Freunde sind Weggefährten, die sich Wohlwollen entgegenbringen, Vertrauen und Offenheit zeigen, sich mit Achtung und Respekt begegnen, sich trösten und verstehen. Zur Freundschaft gehört auch manchmal ein offenes, unbequemes Wort, angemessene Kritik, denn nicht alles verdient Applaus. Gute Freundschaften bestehen aus Geben und Nehmen. Und sie wollen gepflegt werden. Manchmal ist eine Freundschaft “ein hartes Stück Arbeit”. Dann aber können gute Freunde wirken wie Medizin – sie helfen und unterstützen, stärken und verstehen.


Von Ulrike Elbers, Familientherapeutin/Supervisorin – Wuppertal
Veröffentlicht in Westdeutsche Zeitung, WZ, Kolumne: Beziehungen am Samstag 15. März 2008