Gutmütigkeit

„Wer gerne trägt, dem lädt jedermann auf“ – deutsches Sprichwort

Kai ist so ein Jemand, dem im sprichwörtlichen Sinn immer etwas aufgeladen wird. Er ist ein beliebter Umzugshelfer, schleppt und packt überall an. Ihm ist nichts zu viel.
Auch Doro hilft aus, wo sie kann, selbst wenn es um Geldverleihen geht. Oder sie ist Seelentrösterin, wenn mitten in der Nacht das Telefon klingelt. Sie ist immer flexibel und wartet geduldig, wenn andere zu spät zur Verabredung kommen. Auch für Absagen von Treffen oder Unternehmungen hat sie immer Verständnis.

Jeder kennt bestimmt einen solchen Jemanden. Es gibt viele Beispiele dafür. Gutmütige Menschen, die für ihre Freunde oder Familienangehörigen vieles tun. Sie sind immer da, helfen, versorgen, erledigen, schuften. Gutmütige wollen gern anderen helfen. Sie haben Geduld, Verständnis und Langmut.

Natürlich ist es innerhalb der Familie oder im Freundeskreis wichtig und richtig, füreinander da zu sein. Eine Gegenleistung dafür wird selbstverständlich nicht verlangt. Sie ist auch nicht angemessen. „Eine Hand wäscht die andere“.

Allerdings wird Gutmütigkeit und Hilfsbereitschaft auch oftmals ausgenutzt. Meist wird es nicht einmal bemerkt. Der Gutmütige sollte spätestens wach werden, wenn er Unterstützung braucht oder um etwas bittet und keiner hat Zeit. Interessiert der Gutmütige weniger? Zumindest können die Anderen besser „nein“ sagen. Sie kommen im Leben besser und schneller voran.

Für die Gutmütigen ist Ablehnen oder Nein-Sagen schwer. Es ist für sie eine große Kunst. Bevor allerdings ein „Ja“ herausrutscht, kann zunächst als Hilfestellung um eine Bedenkzeit gebeten werden. Dann bleibt Zeit zum Überlegen, um eine „gute Ablehnung“ zu finden.


Von Ulrike Elbers, Familientherapeutin/Supervisorin – Wuppertal
Veröffentlicht in Westdeutsche Zeitung, WZ, Kolumne: Beziehungen am Samstag 16. Januar 2010