In sich hineinhören
Ein schönes Haus, einen gut verdienenden Ehemann, einen aufgeweckten 5-jährigen Sohn, Frau S. könnte zufrieden sein. Und dennoch ist sie nach 12 Jahren Ehe unglücklich, fühlt sich ungeliebt. Sie hat an nichts mehr Freude. Was ist mit ihr los? Sie selbst fragt sich das oft. Erlebt sich undankbar und egoistisch. Ihr Mann versteht sie nicht. Er erfülle ihr doch jeden Wunsch. Ihre Freundinnen beneiden sie und würden gerne mit ihr tauschen. Alle meinen es gut mit ihr. Und dennoch hilft es Frau S. nichts.
Sie vermisst die Aufmerksamkeit ihres Mannes. Nach der Arbeit rede er kaum. Er spreche nie über sich. Frage sie selten, wie es ihr gehe. Wenn sie mit ihm reden wolle, winke er ab. Sie klage nur und meckere herum. Frau S. beginnt nun zu überlegen, was genau sie vermisst. „Was will ich? Was tut mir gut? Was wünsche ich mir von meinem Mann?” Mit diesen Fragen beschäftigt sie sich. Und die Antworten fallen ihr schwer.
Es ist ungewohnt herauszufinden, was sie selbst braucht und wünscht. Doch es der einzige richtige Weg heraus aus der Krise. Denn statt eines großen Hauses wünscht sie sich wieder mehr Gemeinsamkeiten mit ihrem Mann. Mit ihm reden, ausgehen, gemeinsam Sport machen, gemeinsam Kochen – „so wie früher”. So macht Frau S. zunächst für sich selbst ihre Wunschliste. An einem ruhigen Abend am Wochenende spricht sie ihren Mann an. Sie erzählt ihm von ihren Überlegungen. „Gemeinsamkeiten, Gespräche sind mir wichtig”. Der Anfang ist gemacht: Frau S. achtet auf „ihre Fragen” und „ihre Antworten”. Ihr Mann und sie reden regelmäßig. Und ihre Gemeinsamkeiten werden wieder mehr – die Unzufriedenheit nimmt ab.
Von Ulrike Elbers, Familientherapeutin/Supervisorin – Wuppertal
Veröffentlicht in Westdeutsche Zeitung, WZ, Kolumne: Beziehungen am Samstag 27. Januar 2007