Sitzenbleiben

Ben wird sitzenbleiben. Wie für viele andere Schüler wird dieses Schuljahr für ihn schlecht enden. Er wird sein Zeugnis abholen und ab dann seine bisherigen Klassenkameraden nur noch in der Pause sehen. Ben geht es schlecht. Er fühlt sich als Versager.

Der einzige Trost für ihn sind seine Eltern. Sie haben oft mit ihm geredet. Vom Vater weiß Ben, dass er auch als Jugendlicher sitzengeblieben war und harte Zeiten mit vielen Strafen und moralischem Druck erlebt hatte. Bens Eltern sind enttäuscht und machen sich Sorgen. Natürlich wünschen sie ihm gute Zeugnisse und einen guten Abschluss für den Einstieg in eine berufliche Karriere. Aber sie stehen hinter Ben – das haben sie klar und eindeutig gesagt. Gerade die eigenen Erfahrungen will Bens Vater seinem Sohn ersparen.

In einem offenen, vertrauensvollen Gespräch haben die Drei festgelegt: der Zeugnistag ist genau geplant – Ben kann ohne Angst nach Hause kommen. Die Eltern werden nicht schimpfen oder meckern. Über ihre Sorgen haben sie oft mit Ben gesprochen. Mittags wird Zeit sein, um das Zeugnis gemeinsam anzusehen. Auch die guten Noten werden beachtet. Einen oder zwei Tage später wird gemeinsam überlegt, was zu tun ist. Maßnahmen werden geplant, zum Beispiel in welchen Fächern muss mehr getan werden? Reicht eine Änderung der Lerntechnik oder ist professionelle Hilfe nötig? Dann kommt die Urlaubsreise und diese Pause gönnen die Eltern ihrem Sohn, damit sich bei ihm keine Resignation einstellt. Die Schulbücher bleiben zu Hause. Auch das haben die Eltern mit Ben verabredet. Anschließend werden die vereinbarten Maßnahmen angepackt, damit die Klassenwiederholung gut gelingen kann.


Von Ulrike Elbers, Familientherapeutin/Supervisorin – Wuppertal
Veröffentlicht in Westdeutsche Zeitung, WZ, Kolumne: Beziehungen am Samstag 16. Juni 2007