Unausgesprochene Erwartungen

„Du hättest dich ja `mal melden können!“ „Ich dachte, du kümmerst dich darum!“ „Das hätte ich nie von dir gedacht!“ Solche oder ähnliche Aussagen kennen wir höchstwahrscheinlich alle. Oder haben derartige Aussagen auch schon gemacht. Falsche Erwartungen werden in diesen Äußerungen deutlich. Erwartungen, die nicht erfüllt wurden. Erwartungen, die vielleicht auch gar nicht ausgesprochen wurden.

Wir alle haben Erwartungen, an uns selbst, an Familienmitglieder, an Partner, Freunde, Bekannte, Nachbarn, Kollegen und Chefs. Eine Erwartung an ein Gegenüber bezieht sich beispielsweise auf eine Handlung, die er ausführen soll. Oder auf das, was er unterlassen soll. Manchmal beziehen sich Erwartungen auch auf Gefühle, „ich dachte, du freust dich darüber.“

Erwartungen gehen oftmals vom eigenen Verhalten, der eigenen Reaktion aus. Kümmert sich eine Freundin meistens oder oft um die Planung von Unternehmungen, erwartet sie von den anderen, dass sie sich „auch `mal kümmern“. Spült zum Beispiel eine Kollegin nach den Teambesprechungen stets die Kaffeetassen, erwartet sie, dass die anderen das „auch `mal übernehmen“. Bleibt jedoch das erwartete Verhalten aus, können Ärger, Enttäuschung, Frust oder sogar Krankheit folgen. Insbesondere in der Partnerschaft können unerfüllte Erwartungen zu Kränkungen, Verletzungen und auch zu innerem Rückzug führen.

Bei genauerer Betrachtung stellt sich vielleicht heraus, dass die eigenen Erwartungen nicht ausgesprochen wurden. Wie soll ein Gegenüber wissen, was genau erwartet wird. Auch in Partnerschaften ist es wichtig, Erwartungen auszusprechen und deutlich zu machen. Niemand kann „von den Augen ablesen“, auch der langjährige, liebevolle Partner nicht. Die Verantwortung für die eigene Erwartung hat immer der/die Erwartende, also sollte er/sie die Erwartungen auch aussprechen. Eine Erwartung kann als Wunsch formuliert werden und gleichzeitig auch deutlich gesagt werden, dass es wichtig ist. „Ich wünsche mir ...“, „es hilft mir sehr ….“, „könntest Du bitte ...“. Dann kann das Gegenüber verstehen, worum es geht. Und kann ohne Vorwürfe zu hören den Wunsch erfüllen oder sagen, was hindert oder abhält. Reden hilft auch hierbei immer.



Von Ulrike Elbers, Familientherapeutin/Supervisorin – Wuppertal
Veröffentlicht am Dienstag 26. Oktober 2021