Besuchswochenende

Tim ist traurig, dass es schon bald Sonntagabend ist und das Besuchswochenende bei seinem Vater endet. Er freut sich zwar auch auf seine Mutter, ist aber sehr traurig, dass er den Vater wieder für die nächsten Tage verlassen muss. Zwar ist Tim froh, dass die geschiedenen Eltern sich gemeinsam gut um ihn kümmern. Das ist längst nicht bei allen seinen Freunden so.

Auch findet Tim gut, dass sein Vater inzwischen mit einer neuen Partnerin zusammenlebt. Anfangs allerdings wollte die neue Partnerin wie eine Mutter für Tim sein. Dabei hat er ja seine eigene Mutter. Inzwischen hält sie sich mehr zurück, nachdem Tim mit seinem Vater darüber gesprochen hatte. Und dann hat die neue Partnerin auch noch zwei Kinder in die Beziehung zum Vater mitgebracht. Mit ihnen versteht Tim sich soweit ganz gut. Aber die Beiden brauchen sich am Sonntagabend nicht von seinem Vater zu verabschieden. Sie leben immer mit ihm zusammen, obwohl er ja nicht ihr Vater ist. Er selbst würde auch gerne wieder ständig mit seinem Vater und seiner Mutter zusammenleben.

So wie Tim geht es vielen Kindern, die nach der Trennung ihrer Eltern in neuen Familienkonstellationen leben. Für sie gibt es ständige Abschiede und schwere Gefühle, weil zum Beispiel Kinder, die gar nichts mit ihrem eigenen Elternteil zu tun haben, mit diesem aber ständig zusammenleben können.

Deshalb ist es für sie besonders wichtig, dass sie in der neuen Lebenssituation – am Besuchswochenende – Sicherheit mit festen Ritualen durch ihren Vater erleben. Sie brauchen Zeit für sich allein mit dem Vater, gemeinsame Unternehmungen und auch einen festen Platz in der neuen Wohnumgebung. Der Abschied am Sonntag wird trotzdem zunächst traurig werden. Mit einem klaren, sicheren Gefühl für den Vater wird dieser aber besser zu bewältigen sein.


Von Ulrike Elbers, Familientherapeutin/Supervisorin – Wuppertal
Veröffentlicht in Westdeutsche Zeitung, WZ, Kolumne: Beziehungen am Samstag 26. Mai 2012