Alleinsein können

„Ich kann nicht allein sein“ oder „ich habe Angst vor dem Alleinsein“ – so sagen viele Menschen über sich selbst. Weshalb ist das so? Gibt es Erinnerungen an vergangene Ereignisse oder schlechte Erfahrungen, die wieder aufkommen könnten? Ist es die Angst vor schweren Gefühlen oder schlechter Stimmung. Die Befürchtung, dann immer allein bleiben zu müssen? Oder ist es die Sorge, dass keine Beschäftigung vorhanden ist und Langeweile aufkommt? Alleinsein kann auch als Selbsterfahrung verstanden werden. Ich „muss“ mich mit mir selbst beschäftigen. Und das ist manchmal nicht so einfach.

Allein zu sein, kann schön und wohltuend sein, wenn ein Wunsch oder eine Entscheidung dazu besteht – nicht wenn es ein Muss ist. Es ist eine Fähigkeit, die oftmals abhanden gekommen ist. Und damit fehlt auch Zeit und der Raum, einmal nur für sich selbst zu sein, ohne Beeinflussung von außen richtig zur Ruhe kommen zu können, ungestört Zeit für sich selbst zu finden.

Die meisten Menschen, die in einer Partnerschaft, mit Kindern leben, haben sehr selten einmal Zeit ganz für sich – ungestört und allein. Für eine erfüllte Beziehung hat aber gerade die Fähigkeit des Alleinseins auch einen wichtigen Sinn. Wer nicht mehr abhängig davon ist, dass andere die mögliche Langeweile vertreiben, erreicht Unabhängigkeit, die für ein befriedigendes Zusammenleben mit anderen Menschen eine wichtige Voraussetzung ist. Ansonsten besteht immer die Gefahr, sich zu stark auf andere zu stützen oder sogar auch von anderen ausgenutzt und emotional ausgebeutet zu werden.

Es tut gut, auch im Alltag kleinere Rückzugsmöglichkeiten zu haben, einmal Abstand zu gewinnen, durchzuatmen und aufzutanken. Dafür kann eine gewisse Zeit reserviert werden und diese wird dann ganz ohne Gesellschaft verbracht.


Von Ulrike Elbers, Familientherapeutin/Supervisorin – Wuppertal
Veröffentlicht in Westdeutsche Zeitung, WZ, Kolumne: Beziehungen am Samstag 21. Januar 2012