Beziehungskompetenz
Lernen oder das Ablegen einer Prüfung ist in unserem Leben normal. Auch an Weiterbildungen nehmen wir teil. Nur in einer Beziehung gehen wir wie selbstverständlich davon aus, dass sie wie von selbst funktioniert. Dafür brauchen wir nicht zu lernen oder ein Examen abzulegen. Wir haben Vorbilder, bestenfalls leben unsere Eltern uns eine gute Beziehung vor. Oder wir wollen genau das Gegenteil der elterlichen Ehe leben.
Auch sind am Anfang einer Beziehung Gefühle im Spiel – Schmetterlinge im Bauch, große Gefühle des Verrücktseins und der Sehnsucht. Sie machen uns glauben, dass alles leicht und möglich ist, dass alles wie von selbst gelingt. Dass diese wunderschöne Zeit auch in der weiteren Zukunft erhalten bleibt. Diese Selbstverständlichkeit endet zunächst auf dem Boden der Realität. Wir lernen den Partner kennen, wie und wer er wirklich ist. Wir lernen auch den gemeinsamen Alltag kennen und stellen uns vielleicht die Frage, ob diese Gemeinsamkeit den eigenen Vorstellungen entspricht oder nicht.
Oftmals beginnt dann in einer Beziehung die schwierigste Phase. Gerade wenn sie sich festigt, beginnen auch Kritik am Partner, Reibereien, Streit und Stress. Spätestens jetzt zeigt sich, ob Partner es schaffen miteinander zu kommunizieren, sich zu respektieren, sich ernst zu nehmen, Wünsche zu erfüllen und die Beziehung zu „pflegen“. Denn eine Beziehung kann nur mit einem Gemeinschaftsgefühl funktionieren – mit gemeinsamen Alltagsritualen, gemeinsamen Gesprächen, Zeit und Interesse füreinander, einer funktionierenden Streitkultur, auch mit für jeden vorhandenen akzeptierten Freiräumen. Nur so können Gefühle des sich Liebens, der Toleranz, des Respekts und des Vertrauens erhalten bleiben oder neu entwickelt werden. Und das alles ist manchmal noch mehr Mühe und Anstrengung als für eine Prüfung zu lernen.
Von Ulrike Elbers, Familientherapeutin/Supervisorin – Wuppertal
Veröffentlicht in Westdeutsche Zeitung, WZ, Kolumne: Beziehungen am Samstag 8. September 2012