Kränkungen

Ben hat den Hochzeitstag vergessen. Kein Wort dazu, keine Geste, keine Andeutung. Lea fühlt sich missachtet, ungeliebt und gekränkt. Hatte sie doch Ben im Jahr zuvor deutlich gesagt, wie wichtig und bedeutsam ihr dieser Tag ist. Und Beide wollten daran denken und etwas Schönes planen.

Die meisten Menschen fühlen sich ab und zu von ihrem Partner gekränkt. Wenn der Partner sich zum Beispiel in einer bestimmten Weise verhält. Er vergisst einen besonderen Tag oder sagt etwas, das bewertend oder abwertend aufgenommen wird. Wir fühlen uns dann als gesamte Person in Frage gestellt oder verletzt. Dem Partner ist es unter Umständen nicht bewusst, dass bestimmte Worte oder Verhaltensweisen als Kränkung empfunden werden. Das Ausmaß, die Bedeutung sind manchmal nicht so klar. Lea zieht sich in ihrer Kränkung zurück, reagiert beleidigt und nörglerisch. Damit will sie Ben zeigen, wie sehr er sie verletzt hat. In anderen ähnlichen Situationen hat sie ihn auch schon direkt angegriffen. Hat ihn beschuldigt, sich verletzend und unfair zu verhalten. Hat ihm auch schon unterstellt, sich absichtlich so kränkend zu verhalten.

Ihre Reaktionen zeigen die Dimensionen ihrer Gefühle und was das Verhalten ihres Partners in ihr ausgelöst hat. Denn eine Kränkung hat zunächst immer mit Lea selbst zu tun, mit Verhaltensweisen oder Worten, die an schlechte Erfahrungen in ihrer Vergangenheit erinnern. Ben ist dann quasi der „Auslöser“ von neuen schlechten Erfahrungen. Er ist nicht die „Ursache“ oder hat „Schuld“.

In einer guten Partnerschaft sollten die Partner ihre wunden Punkte kennen und sich bemühen, den Partner möglichst wenig dort zu treffen. Wenn wir uns aber gekränkt fühlen, sollten wir darüber offen sprechen und dabei Vorwürfe und Angriffe vermeiden. Das macht dann ein Verzeihen möglich, wenn es doch einmal verletzend geworden ist.


Von Ulrike Elbers, Familientherapeutin/Supervisorin – Wuppertal
Veröffentlicht in Westdeutsche Zeitung, WZ, Kolumne: Beziehungen am Samstag 29. September 2012