Familiendynamik
Auch als Erwachsene handeln wir alle nach der Prägung durch unsere Herkunftsfamilie. Ob wir mit der (Familien-) Tradition gebrochen haben oder nicht, die Prägungen durch unsere Mütter, Väter, Schwestern, Brüdern und andere Verwandte sind langlebig und zäh. Eine Familie ist eine eigene kleine Gesellschaft mit eigener Sprache, eigenen Regeln, Normen und Werten. Sie lehrte uns, wie wir die Welt und uns selbst sehen sollen. Jede Familie hat ihr eigenes „Drehbuch“, mit Rollen, die jeder einzunehmen hatte. Mit der Art der Kommunikation und den ausgesprochen oder unausgesprochenen Prinzipien der Familie. Das „Drehbuch“ enthielt Anhaltspunkte oder Vorgaben, wie sich jeder „richtig“ zu verhalten hatte.
Alle diese komplexen, wechselseitigen Verbindung formten unser gegenwärtiges Verhalten, Denken und Fühlen. Leider funktionieren aber viele dieser gelernten Einstellungen in der Erwachsenenwelt nicht. Wenn sie auf neue Situationen im Erwachsenenleben bzw. auf Menschen in der Gegenwart übertragen werden, bringen sie nicht (mehr) den erwarteten Erfolg – „sei lieb und fleißig“, „sei still und halte dich zurück“. Solche erlernte Reaktionen auf Menschen und Ereignisse können im Erwachsenenleben schwächen oder lähmen. Alte Familiendrehbücher können uns verschleißen, auslaugen und unglücklich machen.
Deshalb ist es wichtig, sich die alten Einstellungen und das Erlernte bewusst zu machen. Alte „Drehbücher“ haben in der Gegenwart vielleicht keinen Platz oder keine Berechtigung mehr. So kann dann ein eigenes, aktuelles Drehbuch, nach den eigenen Vorstellungen und Wünschen geschrieben und gelebt werden.
Von Ulrike Elbers, Familientherapeutin/Supervisorin – Wuppertal
Veröffentlicht in Westdeutsche Zeitung, WZ, Kolumne: Beziehungen am Samstag 1. Mai 2010