Ist Burnout ansteckend?

Luise wußte sofort Bescheid als ihr Mann abends die Wohnung betrat. Der flüchtige Kuß auf die Wange, ohne dass Marc sie genau ansah. Keine Freude, kein Gefühl, nur Leere. Marc kam ohne Schwung, mit abwesendem Gesicht und gepreßtem Lächeln. Seit Monaten ging das so. Luise und Marc hatten viele Gespräche geführt. Marc sah kein Problem bei sich, sprach von anstrengenden Arbeitstagen, vielen Terminen, von Druck und ständig neuen Aufgaben. Er trank dann abends regelmäßig ein Glas mehr, drehte Luise das Wort im Mund herum. Er vermittelte ihr den Eindruck, dass sie für seinen Gefühlszustand verantwortlich wäre.

Luise beunruhigte diese Phase bei Marc. Sie bemerkte auch, dass er das Interesse an ihr verlor. Seit Wochen hatten sie nicht mehr miteinander geschlafen. Luise fing an sich von Marc zurückzuziehen, ihn abzulehnen. Sie hatte den Impuls wegzulaufen, um sich dem deprimierenden Verhalten zu entziehen. Schließlich erkannte sie, dass sie sich durch die Sorgen, das endlose Gerede und den eigenen Ohnmachtsgefühlen sehr aufgerieben hatte. Wenn Marc in einem Burnout war, war Luise selbst auf dem besten Weg auszubrennen oder krank zu werden.

Wenn der Partner ausbrennt und Unterstützung, trotz vieler Gespräche, ablehnt, ist es wichtig, die eigenen Energiequellen zu schützen. Niemandem hilft ein „Anstecken“ oder sich der Stimmung des Partners anzupassen. Luise begann wieder verstärkt auf ihre nötige Erholung zu achten, auf gute Ernährung und ihre körperlichen Bedürfnisse. Sie behielt ganz bewusst den Kontakt zu Freunden bei, um Anregungen von außen zu bekommen. Eine gewisse Distanz und damit ein Eigenschutz vor der „Ansteckung“ konnte bei Luise schließlich bewirken, dass sie mitfühlte statt in Mitleid oder (Selbst-)Anklagen zu verfallen.


Von Ulrike Elbers, Familientherapeutin/Supervisorin – Wuppertal
Veröffentlicht in Westdeutsche Zeitung, WZ, Kolumne: Beziehungen am Samstag 12. Juni 2010