Immer diese Nörgelei

“Warum nörgelst Du ständig herum?” Inga ist sauer auf ihre jüngere Schwester. Gerade hat sie ausschweifend über ihren neuen Chef gemeckert. Er wäre fachlich nicht der Beste und rede kaum mit Jana. Dabei hatte Jana selbst die Beförderung zur Abteilungsleiterin ausgeschlagen und so den Weg für den Neuen frei gemacht. Nun kann er ihr nichts Recht machen.

Oder sie nörgelt über die Urlaubsplanung ihrer Freunde. Jana ist seit Jahren Single und hat Niemanden zum Verreisen. Angebote von Inga hat sie stets ausgeschlagen. Ingas Mann und Kinder würden sich über ihre Mitreise freuen. Gegen ihr Singledasein unternimmt Jana nichts.
Auch an den alltäglichen Kleinigkeiten gibt es oft etwas zu kritisieren, herumzunörgeln oder besser zu wissen. Inga bemüht sich redlich um ihre jüngere Schwester. Aber langsam geht ihr das Verständnis für sie aus. Sie kann ihr auch nichts Recht machen.

Was hat Jana bloß? Augenscheinlich nörgelt sie nicht, um etwas an den bestimmten Situationen zu verändern. Sie macht nichts und nimmt auch keine Vorschläge ihrer Mitmenschen an. Welchen Sinn hat das Nörgeln? Nörgeln um des Nörgelns willen? Inga beschleichen langsam Gedanken daran.

Nörgeln, Klagen, Meckern kann durchaus einen Sinn haben. Eine negative Situation wird negativ erlebt. Eine Veränderung der negativen Situation wird aber nicht begonnen. Denn Nörgeln bringt auch Aufmerksamkeit und Beachtung. Jana bekommt viel Aufmerksamkeit von ihrer Schwester. Sie bekommt viele Ideen genannt. Geduld, Verständnis und Anteilnahme gezeigt. So braucht sie selbst ihr Schneckenhaus nicht zu verlassen und kein Risiko einzugehen. Und Veränderung heißt auch, sich mit dem Nörgeln und der dahintersteckenden Unzufriedenheit mit sich selbst auseinanderzusetzen.


Von Ulrike Elbers, Familientherapeutin/Supervisorin – Wuppertal
Veröffentlicht in Westdeutsche Zeitung, WZ, Kolumne: Beziehungen am Samstag 14. August 2010