Gefühle wegreden
„Nimm doch nicht alles persönlich“ oder „bleib `mal sachlich“ – so oder so ähnliche Aussagen gibt es oft, wenn es im Streit emotional wird. Aber wie soll das gehen, wenn es zum Beispiel gerade um Ärger oder Enttäuschung geht? „Stell’ Dich nicht so an“oder „Du brauchst Dich doch nicht so aufzuregen“, sind geläufige Antworten darauf, wenn Gefühle angesprochen werden. „Da kann doch nichts passieren“ oder „Du brauchst doch jetzt nicht zu weinen“, diese Äußerungen zeigen ebenfalls an, dass gerade nicht über die Ängstlichkeit eines Kindes gesprochen werden soll.
Allen diesen Aussagen, auch wenn sie noch so gut gemeint sein mögen, fehlt etwas Entscheidendes: Respekt für die aktuelle Gefühlslage des Gegenübers.
Jede Person, ob Erwachsener oder Kind, möchte Ernst genommen werden. Jeder möchte seine Gefühle „haben dürfen“. Und jedem stehen Gefühle auch zu, auch wenn es um Ängste, Trauer oder Enttäuschung geht. Jeder sollte sie sagen dürfen. Viel zu oft werden Gefühle verheimlicht oder sogar unterdrückt. Auf Dauer unterdrückte Gefühle machen schlimmstenfalls krank.
Kinder hingegen lernen schnell, ob ihre Gefühle ankommen oder ob sie sie lieber für sich behalten. Die Erfahrung, dass ihnen Gefühle ausgeredet werden, setzen sie dann in Schweigen oder Übergehen um. Sie „funktionieren“. Das Selbstwertgefühl leidet. Unsicherheiten entstehen. Die eigene Persönlichkeit wird geschwächt und schlimmstenfalls entwickelt sich ein Grundgefühl wie: „ich bin nicht in Ordnung, wie ich bin und wie ich fühle“.
Deshalb ist es stets sehr wichtig, dem Gegenüber die eigenen Gefühle zu lassen, auch wenn sie gerade nicht verstanden oder nachvollzogen werden können – „auch Indianer dürfen weinen!“ Respekt und Akzeptanz dafür können durch Zuhören, Raum geben, auch Schweigen und nichts weiter tun zum Ausdruck gebracht werden.
Von Ulrike Elbers, Familientherapeutin/Supervisorin – Wuppertal
Veröffentlicht in Westdeutsche Zeitung, WZ, Kolumne: Beziehungen am Samstag 14. Mai 2011